Was hab ich mich auf dieses Barcamp gefreut. Seit fünf Jahren geh ich jetzt auf Barcamps und ich liebe das Format. Meist war ich in Kiel und dann haben ja auch Konferenzen, wie die GMW das Format entdeckt, was aber noch nicht so richtig funktioniert. Merkt man aber erst, wenn man bei einem „richtigen“ Barcamp war. Hamburg soll ja so ein richtiges noch sein, hab ich irgendwo gelesen und finde den Link nicht mehr. Inzwischen habe ich schon selbst ein kleines organisiert und wer weiss, was noch alles kommen wird.
Wenn man von der Hochschule kommt, ist man auf nem Barcamp allein. Ich hab keine Ahnung warum coole und richtig inhaltlich hochwertige Konferenzen, wie Barcamps aber auch die re:publica oder der CCC von den E-Learning-Experten ignoriert wird. Wenn man mal wirklich verstehen will, wie dieses Netz funktioniert, muss man solche Camps mitmachen. Leider kriegt man für eine gehaltene Session keine Veröffentlichung in der Vita und daher ist das auch für Akademiker eher wertlos, macht aber Spaß 🙂
Zu den Sessions will ich gar nicht so viel schreiben, dass haben viele andere, sehr viel besser gemacht. Meine Highlights war natürlich der Porno (muss man dabei gewesen sein), natürlich die Twitterwall beim Gewinnspiel (hey man schaltet keine Twitterwalls ab), 165 Social Media Tools in 40 Minuten und die Weinverkostung (ups das darf ich bestimmt nicht schreiben). Insgesamt waren die Sessions sehr hochwertig. Ich hatte gefühlt bei 70% was gelernt, bei anderen Konferenzen nehme ich gefühlt nur 20% mit.
Was mir besonders gefallen hat, waren diese kleinen Selbstverständlichkeiten, oft nur in Nebensätzen gesprochen, aber für jemanden aus der Hochschule, der seit Jahren für die Digitalisierung kämpft, ist das Balsam auf der Seele. Bei den Marketing Sessions werden Papierkampagnen völlig ignoriert „Papier ist tot, darauf muss ich jetzt nicht eingehen, oder?“ oder ein 14jähriger erzählt „Ich konnte den Browser-Cache löschen, bevor ich schreiben konnte.“ und Fotos werden geposted ohne Einverständniserklärungen zu verhandeln (macht euch einen No-Foto-Button aufs Shirt und keine Kinder knipsen ohne Mama zu fragen.).
Die Vielfalt der Session fand ich auch sehr gut, obwohl Social Media echt trendig war und Verlage sterben eben. Aber auch Rapsberry Pi war da (Hardware war trotzdem wenig), Filme (HSV und Serienjunkies) aber auch Essen und trinken (Rittersport, Craftbeer, Weinverkostung) wurden vorgetragen. Auf Barcamps gibt es halt echte Bandbreite. Trotzdem waren am zweiten Tag noch ein paar freie Slots zu finden. Redner werden seltener, ist aber bei anderen Konferenzen auch so. Guten Inhalte gibt es auch auf YouTube.
Was mich jedoch wirklich zum nachdenken brachte, war diese unglaubliche Schnelligkeit der Internet-Themen und wie hochwertig sie teilweise waren. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine Hochschule Themen wie SEO, Social Media, Responsive Webdesign oder YouTube-Videos vermitteln will. Bevor auch nur eine eine Vorlesung gehalten wird, müssen die Inhalte diskutiert, abgestimmt und akkreditiert werden. Da vergehen oft Jahre und dann ist da nichts mehr aktuell. Ganz zu schweigen von den Dozenten, die oft 30 Jahre auf dem Lehrstuhl sitzen und so flexibel sind, wie ein Betonmischer im Schrebergarten. Wenn die Barcamp-Besucher jedoch nicht in Hochschulen ausgebildet werden können, warum sind die alle so gut? Wir nennen das Phänomen inzwischen EduPunks bzw DIY-Attitude und all diese Leute haben das Life Long Learning für sich akzeptiert, weil es gar nicht anders geht. Ständig lesen, linken, vernetzen und austauschen und kollaborieren und das am liebsten per Twitter oder anderen Webtools. Ich denke, es ist vermessen als Hochschule, das wir diese Inhalte vermitteln könnten. Natürlich werden jetzt einige sagen, wir vermitteln doch Kompetenzen und zeigen genau, wie man sich diese Sachen selbst beibringt, frei nach dem Motto: „Gib einem Hungernden einen Fisch und er hat Nahrung für einen Tag. Zeigst du ihm jedoch wie man fischt, wird er nie wieder hungern.“. Die Wahrheit sieht aber anders aus, denn eine Institution, wie eine Hochschule lässt das gar nicht zu. Wir haben weder eine digitale Verwaltung (da macht man sich in der Szene wirklich lächerlich, am besten noch Skripte ausdrucken und per Post verschicken, wie viele Fernanbieter es immer noch machen) noch haben wir Menschen, die das unterrichten könnten. Man verliert dann auch die Autorität, wenn die Studis besser informiert sind, schneller arbeiten und vor allem besser vernetzt sind, als die Institution. Warum sollte denn ein Student einem Prof zuhören, wenn der immer noch mit Kreide schreibt, kein Smartphone hat und seine E-Mails nur einmal die Woche abruft. Das muss auch vorgelebt werden und da mangelt es ganz erheblich, obwohl auch wir junge Profs haben.
Zum Schluss kann ich auch nur einmal noch sagen, wie toll das alles war und natürlich viele Dank an die Sponsoren und die tolle Organisation und das leckere Essen und das leckere Bier.
Nicht das ihr denkt, wir würden sinnlose Sachen machen @fhluebeck @steinert_farina #bchh14 pic.twitter.com/9hKSkS3wnF
— Andreas Wittke (@onlinebynature) November 7, 2014
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