Menü Schließen

YouTube und der Algorithmus des Urheberrechts

YouTube perfektioniert das Urheberrecht durch Algorithmen. Automatisch werden neue Videos nach geschützten Inhalten, wie Musik oder Ausschnitten gescannt und ausgewertet. Wollen wir das so und was werden dann die nächsten Schritte sein?

tl;dr

Ich bin ein sehr großer YouTube Fan. Das war schon immer so und es wird immer “schlimmer”. Durch die API können wir sogar Quizzes direkt in die Videos schalten, wie wir das bei mooin sehr innovativ und erfolgreich mittels Capira machen.

Wir können Videos monetarisieren, haben Untertitel, es gibt Diskussionsforen, erhalten Statistiken und technisch ist YouTube die beste Plattform der Welt. Die Videos laufen auf jedem Gerät und jedem Browser und für jedes Mobil Device gibt es eine App. Nicht umsonst spricht man seit einem Jahr auch in Deutschland von YouTubern und zeichnet sie inzwischen mit Preisen aus.

YouTube hat eine automatische Musikerkennung

Wir haben mit dem gemeinsamen YouTube-Kanal der FH Lübeck und von oncampus einen der größten Channels aller deutschen Hochschulen. Vor ca. drei Jahren habe ich einen Clip eines Fachbereiches hochgeladen.

Die Hintergrundmusik ist dabei lizenziert worden und ich bekam damals von YouTube einen Hinweis, dass es sich hier um Copyright-Problem handelt. Ich musste die Rechnung per Dialog (sehr nutzerfreundlich automatisiert) an YouTube schicken, damit das Video endgültig online gehen konnte. Ich meine, ich hatte eine großzügige Frist bekommen. Das Video konnte gleich online gehen und der Beweis wurde später nachgeliefert. Ob dies heute noch so ist, weiss ich nicht. Das ganze lief ohne Probleme ab.

Das war die erste Erfahrung mit der automatisierten Copyright-Erkennung und ich war wirklich positiv überrascht. Alles ging sehr schnell, alle Dialoge waren nutzerfreundlich und Google konnte automatisch Musik erkennen. Warum auch nicht, Shazam und Co können das auch und die Songs müssen nur in Datenbanken hinterlegt sein. Warum allerdings heute immer noch Musikvideos ohne Copyright-Probleme hochgeladen werden können, erschließt sich mir nicht. Es ist müsste doch sehr einfach sein, komplette Musikverzeichnisse zu hinterlegen, aber das wird vielleicht noch kommen.

YouTube hat inzwischen auch eine automatische Bilderkennung

Letzte Woche dann die neueste Erfahrung. Wir wollten ein Video einer Webkonferenz hochladen. In der Webkonferenz wurde ein 40 Sekunden Ausschnitt eines YouTube-Stars in einem kleineren Fenster gezeigt. Nach dem Upload hat YouTube sofort eine Meldung angezeigt, das meine Webkonferenz-Aufzeichnung Fremd-Content beinhaltet. Es wurde mir die genauen Sekunden-Angaben angezeigt und der Rechteinhaber genannt, aber auch vorbildlich darauf hingewiesen, dass ich diese Inhalte nutzen könne, jedoch wird jetzt Werbung geschaltet, deren Einnahmen an den Rechteinhaber fliessen. Ich habe aber die Möglichkeit Einspruch zu erheben.

YouTube Copyright Hinweis plus Einspruch-Option
YouTube Copyright Hinweis plus Einspruch-Option

So weit, so gut. Technisch ist die Lösung brillant. Immerhin wurde der Fremd-Content nur in einem Teilbereich gezeigt und dann auch nur 40 Sekunden und die Meldung kam sofort nach dem Upload. Es stellen sich jedoch viele Fragen, die YouTube per Algorithmus versucht möglichst einfach zu beantworten. Könnte der Ausschnitt auch unter das Zitat-Recht fallen? Falls nicht, wie will man denn z.B. Filmszenen oder Musikvideos besprechen, wenn man diese nicht darstellen darf? Was passiert, wenn ich mehrere Ausschnitte in meiner Aufzeichnung nutze? Wer kriegt dann das Geld der Anzeigeneinnahmen? Ich darf das Video auch nicht unter einer freien OER Lizenz veröffentlichen, obwohl ich wahrscheinlich der geistige Urheber bin. Warum gilt das Urheberrecht nur für den Ausschnitt, aber nicht z.B. für den Pullover von Adidas, den ich im Video anhabe oder für das Bild im Hintergrund?

Natürlich kann man das nicht per Algorithmus entscheiden, denn die geistige Schöpfungshöhe ist immer eine Einzelentscheidung. YouTube bietet hier zusätzlich eine manuelle Einspruchsmöglichkeit an, was sehr vorbildlich ist, aber auch sehr aufwendig.

Und was mit dem Remix?

Ich kann es nur vermuten, doch meiner Meinung nach, bleibt der Remix hier liegen bzw, verschwindet in der Unsicherheit des Rechtssystems. Niemand würde sich trauen, Einspruch zu erheben und auf das Zitat-Recht verweisen? Selbst ich habe das Video sofort gelöscht bzw. hätte den Teil rausgeschnitten, denn wir wollten ein OER-Video haben. Das Urheberrecht ist komplex und YouTube versucht es bestmöglichst umzusetzen. Man merkt jedoch überall, dass dies kaum geht und es ist wirklich schwer nachvollziehbar, wenn man erstmal anfängt weiter zu denken.

Und wie könnte die Zukunft aussehen?

Wenn YouTube schon Musik und Teilinhalte automatisch scannen und zuordnen kann, was dürfte denn dann als nächstes kommen? Wird YouTube die oberste Copyright Instanz und der Algorithmus Richter und Henker in einer Person? Wie sieht es mit dem Persönlichkeitsrecht aus? Wenn ich bei einem Video Einspruch erhoben haben, filtert YouTube dann alle Videos mit mir aus? Oder wird YouTube alle Videos mit mir demnächst anzeigen können. Das wird umso interessanter, wenn sich 4k Videos durchsetzen und man auf jedes Gesicht zoomen kann. Gelten Persönlichkeitsrechte auch auf hochauflösenden Aufnahmen?

Dabei werden Facebook und Google natürlich eine Vorreiterrolle einnehmen. Schon heute kann man auf beiden Portalen Menschen zuordnen und Google will seinen Fotodienst dementsprechend weiter ausbauen. Der Gesetzgeber muss versuchen ein Spagat zwischen Urheberrecht und Remix zu schaffen, was bisher eine Katastrophe war. Ich frage mich dabei auch, ob man da überhaupt mit Kompromissen arbeiten kann. Alle bisherigen Lösungen, sind viel zu komplex und arbeitsintensiv, als dass man sie anwenden könnte. Hier freuen sich nur Anwälte.

Resumé

Was YouTube macht, ist auf den ersten Blick unheimlich und man fühlt sich entmachtet. Auf den zweiten Blick bringt er jedoch Klarheit in ein undurchschaubares System, und höchstwahrscheinlich werden die Urheber mehr geschützt, als die Remixer gefördert. Mich erinnert das Vorgehen jedoch an einen Überwachungsapparat. Im Auto will ich doch auch keinen Computer haben, der nach GPS meine Höchstgeschwindigkeit nach der erlaubten Geschwindigkeit regelt. Ist das der erste Schritt zur Allmacht des Codes? Der erste Terminator, der unser Leben bestimmt? Ich habe ihn, in einer anderen Gestalt erwartet 🙂

2 Kommentare

  1. Pingback:[Online By Nature] YouTube und der Algorithmus des Urheberrechts | netzlesen.de

  2. Pingback:Zusammenfassung der Woche ab 08.06.2015 | Iron Blogger Kiel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert