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Blockchain in der digitalen Bildung – Hype oder Zukunft

Ein neues Buzzword geht herum: Blockchain. Blockchains ändern alles, sagen die Experten, die Zweifler (vorwiegend aus Deutschland) reden lieber von einem Hype und profilieren sich damit, dass man das nicht braucht. Alles was eine Blockchain kann, kann doch eine ganz normale Datenbank. Wer nun Recht hat wird die Zukunft zeigen, doch schauen wir uns erstmal an, was denn so eine Blockchain überhaupt ist.

Was ist Blockchain?

Wie immer schaut man erstmal höchstwissenschaftlich auf Wikipedia: „Eine Blockchain ist eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, genannt „Blöcke“, welche mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkettet sind. Jeder Block enthält dabei typischerweise einen kryptographisch sicheren Hash (Streuwert) des vorhergehenden Blocks, einen Zeitstempel und Transaktionsdaten“. Eine Definition die imho nur schwer verständlich ist, daher hier was griffigeres:

Quelle IT-Finanzmagazin https://www.it-finanzmagazin.de/gar-kein-mysterium-blockchain-verstaendlich-erklaert-27960/

Wir merken uns dabei zuerst das wichtige Wort „dezentral“ und als zweites „transparent„, denn das ist das wahre Neue bei der Blockchain. Und jetzt sollten wir sollten mal darüber nachdenken, ob unsere alten Prozesse auch sicher und transparent waren. Bei sicher sind wir sicher, oder? Bei der Transparenz überlegen wir aber noch etwas und sind technisch unsicher.

Vielleicht hilft uns YouTube noch etwas weiter und der Tagesschau können wir trauen.

Wer wirklich mehr über Blockchain wissen will, dem sei Lambert Hellers ausgezeichnete Blogserie empfohlen, die einen sehr guten Überblick in deutscher Sprache gibt. Es soll aber hier nicht um Blockchains gehen, sondern warum es besser sein könnte, damit digitale Zertifikate zu verwalten.

Warum digitale Zertifikate, reichen nicht auch Papierurkunden?

Die Frage ist obsolet, denn in einer digitalen Gesellschaft, in der wir uns bekanntlich befinden, muss es auch irgendwann digitale Zertifikate geben. Die Frage ist nicht ob diese kommen, sondern wann? Es ist auch keine Disruption, denn auch digitale Zertifikate können ausgedruckt werden und dann übergeben und an die Wand gehängt werden. Bei der Diskussion geht es um den Mehrwert dieser Zertifikate und ob wir die Fehler des alten Systems weiterhin akzeptieren wollen.

 

Das digitale Zertifikat

Eine der ersten Bildungsanwendungsfälle für Blockchain ist das digitale Zertifikat. Der Beginn dieser elektronischen Urkunden ist schon älter und kam aus dem Gedanken der e-Portfolios. Zuerst wurde der OpenBadge-Standard von Mozilla eingeführt, der u.a. auch von Moodle und LinkedIn unterstützt wird. Später wurde dieser Standard u.a. vom MediaLab des MIT aufgegriffen und mit Blockcerts weiterentwickelt und in die Blockchain überführt. Damit gab es eine Open Source Lösung für Blockchain-Zertifikate. Später gab es dann eine Firmenausgründung „Learningmachine„, die jetzt Blockcerts professionell vertreibt, zudem eine App entwickelt hat und versucht ein Geschäftsmodell für digitale Zertifikate zu betreiben.

Deutschland geht jedoch einen eigenen Weg. Warum auch nicht, denn wir können nicht unsere heiligen Zertifikate einer bösen US-Firma anvertrauen. Das Prinzip heisst Datensouverenität. Das ist jedoch bei Blockchains etwas widersprüchlich, denn die Daten sollten offen, transparent und fälschungssicher verteilt im Netz liegen. Bei uns hat das Fraunhofer Institut FIT einen ersten „Blockchain for Education“ Prototypen entwickelt, der auch schon als Pilot läuft.

Urkunde mit Echtheitssiegel
Urkunde mit Echtheitssiegel Quelle https://pixabay.com/de/papier-urkunde-siegel-schriftst%C3%BCck-1941277/

Ich durfte die Entwickler vor ein paar Wochen besuchen und konnte viele Fragen klären. Im Unterschied zur MIT Lösung braucht der Nutzer hier keinen Private Key und damit ist das System viel nutzerfreundlicher. Denn Nutzer könnten diese Keys verlieren oder Diebe diese klauen. Außerdem können Zertifikate bei der Fraunhofer-Lösung auch ein Ablaufdatum haben. Damit sind z.B. Zugangsberechtigungen aufgrund von Sicherheitszertifikaten möglich (Mitarbeiter darf Reaktor nur mit zwei Jahre gültigem Sicherheitszertifikat betreten). Zeitlich befristete Zertifikate sind wichtig, auch wenn z.B. eine Urkunde aufgrund von Plagiatismus (wir erinnern uns an Herrn von Guttenberg) aberkannt werden muss.

Für die Profis

Technisch läuft die Löung bisher auf einer privaten Ethereum Blockchain und hat zwei Smart Contracts und zwei spezielle Libraries. Über einen Wechsel zur Quorum Blockchain wird nachgedacht, da es hier ein Rollenkonzept gibt. Damit würden die umstrittenen Energiekosten für das Mining der Transaktionen entfallen. Bisher hostet nur das Fraunhofer diese Blockchain und es werden Partner für ein Netzwerk gesucht. Lübeck wird demnächst als erster Partner einen zweiten Node hosten. Für echte Sicherheit braucht man aber viel mehr Nodes.

Blockchain nicht veränderbar in einer agilen Welt

Der Vorteil einer Blockchain ist auch ihr Kernproblem. Die Daten in ihr können theoretisch nur geändert werden, wenn man 50+1 der Rechenleistung der Blockchain stellt, was bei einem großen verteilten System nahezu unmöglich sein sollte. Hat man nun einen Implementierungsfehler gemacht und benötigt ein Update, so ist es quasi unmöglich dies einzuspielen. Die Blockchain ist nicht agil. Im gewissen Sinne geben Smartcontracts Freiheiten, um Code auf der Blockchain auszuführen. Verwechselt bitte nicht Contracts mit Vertrag, hier ist Programmcode gemeint. Daher können Entwicklungen und Anpassungen ausgeführt werden, aber die Grundstruktur und die Metadaten sind nur teilweise veränderbar. Das ist natürlich in einem sehr forschungsintensivem Umfeld wie dem von Blockchain hinderlich. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Fraunhofer gleich beim ersten Entwurf die ultimative Blockchain für digitale Zertfikate erfunden hat. Und was passiert, wenn man jetzt eine neue Blockchain z.B. auf Quorum-Basis etabliert, weil es neue Anforderungen gibt? Hier gibt es noch etlichen Forschungsbedarf, den man zwar diskutieren kann, aber eher ausprobieren sollte. Hier sind agile Prozesse notwendig und auch die Bitcoin-Blockchain hat gezeigt, dass sie ständigen Aktualisierungen unterworfen ist.

Blockchain schafft Standards ohne Gremien

Der wahre Vorteil einer Blockchain, könnte jedoch im Standard liegen. Denn jeder, der an der Blockchain partizipieren will, muss sich am Meta-Schema der Blockchain halten und damit ist ein einheitlicher Datensatz bzw. Pattern geschaffen. Damit können die Daten einheitlich verarbeitet und verwaltet werden. Bisher gibt es noch keine einheitlichen Standards für Urkunden, auch wenn sich das zuerst trivial anhört. Welche Daten sollten auf einer Urkunde sein? Vor- und Nachname sind klar und der Aussteller auch, aber gehören auch Workload, Ausstellungsdatum, Titel und Lernziele dort drauf? Welches Datei-Format sollte die Urkunde haben? DOC, PDF, XML oder PNG? Soll die Urkunde ein Wasserzeichen beinhalten und falls ja, ist dies ein kommerzielles oder ein Open Source Wasserzeichen? Eine Blockchain kann hier helfen, da sie international, unabhängig und transparent arbeitet. Dieser Vorteil wird meiner Ansicht viel zu wenig beachtet und könnte ein Door Opener sein.

Hoheit des Codes

Wer bei Blockchain mitreden mitforschen will, der braucht eine Plattform mit Daten und Zugriff darauf. Das bedeutet zum einen, man braucht Developer, die an der Blockchain entwickeln oder wenigstens auf die API zugreifen können. Zum anderen, was wesentlich wichtiger ist, braucht man Zugriff auf den Code der Plattform. Bei den digitalen Zertifikaten könnte das bedeuten, man muss in das Hochschulverwaltungssystem z.B. HIS oder Datenlotsen eingreifen und die Zertifikatsverwaltung umprogrammieren. Kann das eine Hochschule selbst machen? Oder muss man das beauftragen? Kann man den Code überhaupt so anpassen? Muss man jemanden fragen, z.B. das Rechenzentrum, das Präsidium oder den Datenschutz?

Als Einzelperson oder als Drittmittelprojekt wird es kaum möglich sein, das Notenverwaltungssystem der Hochschule zu ändern. Also kann man das nur mit einer Plattform ausprobieren, bei der man diese „Hoheit des Codes“ besitzt. Das sind in Deutschland nur ganz wenige Institutionen, die das überhaupt umsetzen könnten, z.B. oncampus, das HPI oder die Virtuelle Hochschule Bayern. In Österreich könnte das iMooX sein. Hier schlägt die digitale Spaltung jetzt zu. Denn wer hier die letzten zehn Jahre geschlafen hat, kommt nicht weiter und ist bei den Zukunftsthemen wie Blockchain oder vielleicht auch Big Data und KI außen vor. Nur wer Code ändern kann und Echtdaten besitzt, kann die nächsten Schritte machen.

Dies merken wir in Deutschland gerade immer mehr. Wir haben die Digitalisierung komplett verschlafen, dazu haben wir einen starken und bürokratischen Datenschutz. China dagegen besitzt riesige Datenmengen, eine Cloud und jede Menge Developer und ist hier an Europa und selbst an den USA vorbeigezogen. Die Zukunft dieser Forschungsthemen werden in der Cloud entschieden und wer heute noch nicht dort ist, kann zukünftig, die neuen „Hypes“ nicht mehr bearbeiten/erforschen. Den Hochschulen wird es wie dem Einzelhandel ergehen, wenn er versucht sich gegen Amazon zu stellen. Hier fehlt es dann einfach an passender Größe und dementsprechend auch an der Infrastruktur.

Der Vorteil einer Blockchain ist im Netzwerk

Die wahre Macht einer Blockchain merkt man erst im Netzwerk. Bisher haben wir immer über einzelne Institute, Hochschulen oder Server nachgedacht, doch das ist bei einem Netzwerk falsch. Wir müssen, um die Blockchain sinnvoll zu nutzen, in Netzwerken denken und handeln. Digitale Zertifikate machen in EINER Hochschule keinen Sinn – höchstens in der Verwaltung, aber nicht in der Anerkennung. Jedoch muss man die digitalen Zertifikate weltweit sehen. Was passiert, wenn in Indien plötzlich tausende falscher deutscher Zertifikate auftauchen? Wie können Flüchtlinge ihre Zertifikate auf der Flucht mitnehmen? Kann ein chinesisches Konsulat ein norwegisches Zertifikat überprüfen und was passiert, wenn Bildungsorganisationen verschwinden? Wie kann man tausende indischer Zertifikate sekundenschnell überprüfen, obwohl man kein brahmisch lesen kann?

Bologna bedeutet internationale Bildung, die digital verwaltet werden muss. Die Zeiten, in denen einzelne Hochschulen ihre Urkunden selbst verwaltet und diese irgendwo geschlossen im Keller oder auf einem Server im lokalen Netz liegen haben, sind Vergangenheit. Dank Globalisierung und internationalen Austauschprogrammen ist hier auch eine neue digitale Verwaltungsinfrastruktur nötig. Länder wie die Niederlande haben schon nationale Lösungen für Urkunden, Deutschland hat den Föderalismus.

Und was wird die Zukunft bringen?

Ich bin nicht so optimistisch zu glauben, dass Blockchains die Hochschulverwaltung reformieren wird. Ob sie überhaupt einen Einfluss auf die digitale Bildung haben, darf stark bezweifelt werden, denn ob eine Urkunde aus Papier ist oder auf einer MySQL-Datenbank oder in einer Blockchain liegt, ändert gar nichts am didaktischen Konzept. Allerdings ändern sich durch Technologien wie Blockchain, ähnlich wie Webkonferenzsysteme oder Smartphones, die Rahmenbedingungen. Verwaltung wird einfacher, Reichweite wird größer und Bildung wird globaler. Skalierbarkeit ist hier das Zauberwort und wir werden in Deutschland keine 400 Blockchains für 400 Hochschulen benötigen, genauso wenig, wie wir 400 LMS oder 400 Streamingserver brauchen. Hier wird es Zusammenschlüsse geben und das sind die Bildungsnetzwerke der Zukunft.

2 Kommentare

  1. Pingback:Rückblick MMW: Blockchain, Bitcoin und Smart Contracts in der Lehre | studiumdigitale

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