In den letzten Wochen hab ich mir eine Menge Gedanken zum Umfang von E-Learning Content gemacht. Wie lang sollte eine Lerneinheit sein und wie ist der Aufbau?
Die Aufmerksamkeitsspanne eines Lerners soll angeblich zwischen 10-20 Min. sein. Wenn das wahr ist, darf dann eine Lerneinheit auch nur diesen Umfang haben? Ist es dem Lerner nicht zuzumuten selbständig Pausen einzulegen?
Die Gesellschaft tendiert dazu immer kürzere Aufmerksamkeitsspannen zu haben. Schaut man sich das TV Programm einmal an, findet man schnell Bestätigungen. Früher waren Filme 90 Min. lang und ohne Werbeunterbrechung, heute sind die Sitcoms und Daily Soaps selten länger als 30 Min. und wenn man dann die Filmchen auf YouTube sieht, ahnt man, was die Zukunft bringen kann. Schüler haben Probleme 45 Min. in der Schule still zu sitzen aber eine Vorlesung an der Hochschule dauert 90 Min.
Das Internet fördert dieses Phänomen, da das Lesen am Bildschirm schnell ermüdet. Man verliert auch schnell den roten Faden, da Material oft mit Hyperlinks versehen ist, und der Lerner sich in den Weiten des Internets verliert.
Wie soll man aber anspruchsvollen Content in max. 20 Min. vermitteln? Auf Schulniveau ist das wahrscheinlich noch möglich, aber in der beruflichen Weiterbildung stößt man da an Grenzen. Im meinem Kurs Medienkompetenz waren die Lerneinheiten ca. 5 Stunden lang, aber mit Vertiefungsmaterial konnten es auch 30 Stunden werden. Oft sind die Lerner aber nicht bereit, so viel Zeit zu investieren. Wissen zu erlangen kostet aber Zeit und oft auch Mühe und das ist ein Widerspruch. Viele sind dazu nicht bereit, vor allem die Unternehmen. Sie wollen ihre Mitarbeiter kurz an einem Tag schulen oder noch schlimmer, sie geben zu einem Thema eine 10-20 Min. langes E-Learning Objekt und der Mitarbeiter soll es schnell durcharbeiten.
Tools wie Powerpoint oder auch Rapid E-Learning Tools unterstützen diesen Ansatz. Ist die Zukunft oder der Sinn von E-Learning Content in diesen kurzen Happen, oder kann auch aufwendiger Content geschaffen werden? Beim Bundesleitprojekt Virtuelle Fachhochschule haben wir Kurse mit jeweils 150 Stunden Lernaufwand erstellt und ein Learning Object hatte dabei einen Zeitumfang von bis zu 30 Stunden. Inzwischen sind mehr als 1400 Studierende in diesen Online-Studiengängen eingeschrieben und lernen sehr erfolgreich. Anscheinend ist es dann also doch möglich, größere Lerneinheiten anzubieten.
Natürlich kommt es immer auf den Kunden an, was er braucht und wünscht. Einen allgemeinen Ansatz gibt es nicht. Der Trend, dass die Aufmerksamkeitsspanne sinkt und Wissen in 10 Min. Häppchen serviert werden sollte, ist aber bedenklich.
In 10 Minuten kann ich mir einen Begriff im Internet durchforsten (Wikipedia et al.). Beispielsweise suchte ich kürzlich den Begriff Klasse E-Verstärker, der war mir, obwohl Elektroniker, nicht bekannt. Durch die Suche habe ich jetzt eine Vorstellung und einen Wissenrahmen, aber verstanden habe ich so richtig noch nichts. Dazu müßte ich Papier und Bleistift nehmen und die Zeit dafür nehme ich mir jetzt nicht. Wenn ich mir auf diese Tour mein ganzes Wissen aufbaue, sieht´s böse aus, zumindest für die Kreativität, da ist das viel zu oberflächlich.
Früher hatte ich mal gelernt, die Aufmerksamkeitsspanne liege etwa so bei 40 Minuten, das wäre dann etwa zutreffend für Schulstunden und für Hochschulen wäre eine Doppelstunde, wenn man also unbedingt etwas rüber bringen möchte, besser durch eine kleine Konzentrationspause aufzulockern (ein Witz oder irgend etwas anderes.)
Es mag ja sein, dass heutzutage diese Aufmerksamkeitsphasen etwas kürzer liegen, aber mir kommt das bei den Unternehmen eher so vor, wie bewußt strategisches Lean Management, in möglichst kürzester Zeit ganz effektives Wissen durchzupauken. Das ist Management-Denken. Das macht man in China auch so (alles mit Powerpoint) und das ist bei uns keineswegs empfehlenswert (keine Kreativität, siehe oben). Daher finde ich die weitaus höher gesetzten Zeiträume für die Lerneinheiten beim e-Learning letztendlich weitaus effektiver.
Auf der anderen Seite können Schüler stundenlang voller Konzentration beim Schreiben im Schüler-Verzeichnis-Blog oder bei Computerspielen durchhalten. Manche haben kaum Zeit, zur Toilette zu rennen, so spannend ist das. Das ist wohl alles eine Frage der Motivation. Vielleicht liegt da der Haken.
Ich denke, es ist nahezu unmöglich, einen auch nur ansatzweise kompletten Sachverhalt in 10-20 min zu vermitteln. Die Kunst wird vielmehr darin bestehen, das entsprechende Material in sinnvolle kleine Blöcke zu unterteilen, so dass die angesprochenen 10-20 Minuten herauskommen.
Der Anwender hat durch die kleinen Häppchen den Vorteil, sich die Bearbeitung selbst einteilen zu können. Sicher sitzen Kids stundenlang vor dem Rechner und spielen, dabei müssen sie das Gesehene allerdings nicht großartig verarbeiten und behalten. Das sieht bei ernstem Lernstoff schon etwas anders aus.
Ich selbst belege gerade den Kurs e-business management und weiß daher aus eigener Erfahrung, dass selbst eine Seite innerhalb eines Lernobjektes manchmal nicht in 10-20 Minuten zu bearbeiten ist, wenn man zwischendurch diverse Sachverhalte umfassend durch Internetrecherchen ergänzt.
In Zeiten der Mobiliät und funktional immer besser ausgestatteter Geräte für unterwegs sind Lernobjekte von 10-20 Minuten z.B. in Form eines Podcasts vielleicht auch interessant.
Abschließend denke ich, dass es wie bei vielen anderen Dingen erst einer langfristigen Praxiserfahrung und wissenschaftlicher Untersuchungen bedarf, um zu erkennen, was in diesem Zusammenhang das effektivste Mass ist. e-learning-Inhalte werden aber mit Sicherheit nur in kleinen Blöcken breiten Anklang finden, so dass diese in der immer knapper werdenden Zeit optimal konsumiert werden können.