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Böses oder gutes Younow? Die deutsche Angst schlägt wieder zu

Da ist eine neue Videoplattform für Jugendliche und die deutschen Jugendschützer, Eltern, Datenschützer und Massenmedien fangen automatisch alle an im Chor zu singen: “Das gefährliche Internet.”

tl;dr

Allein die Überschriften bei Google-News ergeben ein absolut einseitiges Meinungsbild:

Google News Headlines zu Younow vom 28.Februar 2015
Google News Headlines zu Younow vom 28.Februar 2015

Sogar die Technikseiten Golem und Heise stimmen in dieses Lied ein, was mich doch etwas verstört hat und auf den eingängigen Medienpädagogik-Seiten, werden schon Verbote, Warnungen im Unterricht und Infomaterial verteilt.

All diese Berichte gehen nur in eine Richtung, wie gefährlich ist denn dieses Younow und wie können wir unsere Kinder davor schützen? Ganz klassisch sieht man das an dem Video, was fast gar nichts mit Younow zu tun hat, sondern nur allgemeine Probleme des Internets darstellt und auf den Younow-Warnungs-Hype aufspringt.

Wer hat sich bisher Younow überhaupt angeschaut?

Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich mir mal die 30 Minuten Lebenszeit gegönnt und hab mir das System flüchtig angeschaut. Die Registrierung auf der Webseite ist vorbildlich einfach, man benötigt nur einen Twitter-, Facebook- oder Google-Account und schon kann es losgehen. Danach erhält man zwei Listen und man kann sich die Livestreams von anderen Nutzern anschauen. Entweder man geht nach Tags also z.B. Interessen, Sprache, Geschlecht, Hobby oder man orientiert sich an die Top-Viewed Listen.

Ich habe mir dann ca. 30 Streams angeschaut und davon waren 28 Streams von Kids, die für mich sehr inhaltsleer waren. Ich habe auf keinem Stream länger als 10 Sek. durchgehalten. Wer will schon Gespräche von pubertierenden Teens freiwillig anschauen? Zwei interessante Angebote hatte ich auch entdeckt, aber ob jetzt ein Kiosk in New York wirklich von belang ist, kann bezweifelt werden.

Was gerne vergessen wird, das Potential von Younow

Wenn man einmal einen Schritt zurück geht und sich neutral die Technik anschaut, ist das eigentlich der Hammer. Ich kann nämlich sofort einen Livestream von der Webcam meines Laptops ins Internet stellen und den Link öffentlich sharen. Davon haben wir E-Learning-Experten die letzten 10 Jahre geträumt. Man muss keinen Admin fragen, keine Software installieren und nicht einmal einen Account anlegen und das alles geht dann auch noch per App, wo man die Kamera (Front oder Back) noch auswählen kann. Ich verstehe dabei überhaupt nicht, warum keiner in Jubelgesänge ausbricht. Die Lösung ist sogar so einfach, das müssten sogar Lehrer hinkriegen, wahrscheinlich sogar Lehrerinnen (das war jetzt Ironie) und neben dem Livestream gibt es sogar einen Chat.

Die Szenarien sind quasi unendlich. Ich kann jetzt bei jeder Konferenz einfach per Smartphone und WLAN die Session streamen und das geht natürlich auch bei Fussballspielen, Konzerten, Vorträgen und auch im Unterricht. Die Session  werden sogar aufgezeichnet, ich weiss allerdings nicht wie lange die Maximal-Zeit ist und eine Export-Funktion hab ich auch nicht gesehen. Trotzdem ist Younow ein Riesenschritt nach vorne und kann hier mit Google-Hangout verglichen werden.

Und was ist mit den Gefahren? Die Kids wissen doch gar nicht was sie da tun.

Das Angebot richtet sich wirklich eindeutig an die Kids, aber trotzdem kann ich die Gefahren nicht erkennen oder nicht richtig einordnen. Wenn die Kids sich dort präsentieren, dann machen die das halt und wenn sich dort Erwachsene reinschleichen um daran teilzunehmen, dann ist das zuerst einmal nichts verbotenes. Natürlich muss man den Kids erzählen, dort nichts blödes zu machen, aber das ist nichts anderes, als mit fremden Menschen nicht ins Auto zu steigen. Das sollte man den Kindern beibringen und Younow wird die Eltern auch nicht neu fordern, immerhin sollten sie nach SchülerVZ, Facebook, Abofallen, Alkohol und Shades of Grey genug trainiert sein, um auch noch vor Younow zu warnen. Die Geschichte wiederholt sich und nach 20 Jahren Internet ist es mal wieder sehr erstaunlich, dass da überhaupt jemand darauf reagiert.

Typisch deutsch, zuerst kommt die Gefahr, dann das Potential

Ich fühle mich bei Younow mal wieder bestätigt, denn die Gesellschaft und die Medien können nichts anderes als Warnungen aussprechen und sehen kein Potential. Die Younow Berichterstattung zeigt es mal wieder. Da probiert keiner aus, keiner sieht die Vorteile, keiner denkt an positive Einsatzbeispiele, sondern das erste was einem einfällt sind die Gefahren und danach kommen die Verbote. Die Angst vor dem Internet scheint eine deutsche zu sein.

2 Kommentare

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