Manchmal sieht man den Wald, vor lauter Bäumen nicht. Schon sehr oft wurde das klassische LMS als tot oder gescheitert gesehen. PLEs wurden als Nachfolger auserkoren oder sogar Social Learning Systeme neu erfunden. Dabei sind LMS wahre Schlachtschiffe, die viel mehr können, als nur didaktische Szenarien zu vermitteln. Ein LMS ist die Schnittstelle zur Infrastruktur, zur Organisation, zur Verwaltung und letztendlich zur Digitalisierung und damit zur Effektivität der Hochschule.
Trotzdem sind LMS langweilig. Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit Blackboard, Sakai und Moodle und kenne natürlich auch Clix, StudIP und Olat. Was alle diese Systeme gleich haben, sind langweilige Kursdesigns. Kennt man ein LMS, kennt man alle. Man kann noch so ein fantastisches didaktisches Kurskonzept haben, präsentiert man es einem Besucher, sieht er normalerweise eine Linkliste und eine Navigation, die ähnlich einem Datei-Explorer ist. Erst auf dem zweiten Blick, ergibt sich das Konzept.
Wir haben schon lange schöne Moodle-Designs, als Beispiel sei unser Medienkompetenz Kurs erwähnt. Die Icons sind grafisch aufgewertet, eine klare Struktur ist zu sehen und was sehr schön ist, man erkennt anhand der Kopfgrafik, in welchem Kurs man sich befindet. Alle Blöcke entsprechen dem CI von oncampus und natürlich ist das ganze auch response. Im Gegensatz zu einer Standard-Moodle Installation eröffnet das grafisch als auch in der User Experience ganz neue Welten.
Bei anderen LMS sieht es ähnlich aus. Bei meinem Vortrag über die papierlose Hochschule beim SOOPAL MOOC hab ich mir Olat noch einmal näher angeschaut und im Grunde keine großen Unterschiede zu Moodle entdeckt. Natürlich wird jeder OLAT Experte dem sofort widersprechen, aber der Kunde sieht erst beim durchlaufen des Kurses erwähnenswerte Unterschiede, niemals bei einer Präsentation.
Das es auch anders gehen kann, liegt auf der Hand. Nicht ohne Grund wurde XML, xHTML und CSS entwickelt. Vor ein paar Wochen habe ich schon einmal zu dem Thema gebloggt und nannte das Konzept “Das Auge lernt mit“.
Im letzten Semester sind wir grafisch schon einen Schritt weiter gegangen. Wir haben die didaktischen Kurselemente mit einem grafischen Horizontal Rule getrennt. Dadurch ist der gesamte Kurs “luftiger” und übersichtlicher und klarer. Dafür muss man jetzt jedoch mehr scrollen. Ich sage dazu: “Einen Tod muss man sterben. Entweder gutes Design, dann aber viel scrollen.” Früher hiess es immer, der Anwender soll nicht scrollen und alle Elemente müssen auf einem Blick zu sehen sein. Diese Aussage ist aber 10 Jahre alt und wir halten uns immer noch teilweise daran. Jeder Internetnutzer weiss heutzutage, dass man Webseiten scrollen kann:-)
Und dann kamen die MOOCs. Alle MOOCs bestechen durch neue Kursdesigns und dementsprechend durch neue Plattformen, die ich jetzt auch nicht LMS nennen will. Schaut man sich Coursera, EDx und iversity an, so sind alle super grafisch aufgearbeitet, sie sind responsive und haben einen sehr reduzierten Funktionsumfang. Mich erinnert das irgendwie an Apple, die auch sehr schlichte einfache Bedienkonzepte haben und viel Wert auf hochwertiges Design legen. Der Erfolg gibt Apple recht. Die MOOCs haben das LMS Design quasi in das Jahr 2014 gebracht. Hier hatten Designer das sagen und keine Pädagogen.
Wir haben dann die Idee unbewusst aufgegriffen und beim Hanse MOOC umgesetzt. Hier war unser oberstes Motto, der Anwender soll nicht merken, dass er sich in einem LMS bzw. Moodle befindet. Daher haben wir all die typischen Old-School-LMS-Elemente, wie Kalender, Bereiche, Explorer-Navigation, aber auch die Teilnehmerliste und das Profil ausgeblendet.
Das war ein viel größerer Schritt, als mir zuerst bewusst war. Durch die innovative(?) Bildnavigation im oberen Bereich, hat man die Gestik von den Tablets und alle Lektionen sind grafisch aufgewertet. Eine Linkliste sucht man vergebens und jedem ist sofort klar, dass es sich hier um etwas neues handelt. Das Auge erkennt sofort das neue Konzept und das obwohl MOOCs kaum neue Konzepte haben.
Die Grundfrage, die sich daraus ergibt: Warum sind dann die LMS nicht so sexy, wie ein MOOC?
Ich vermute das ist mal wieder ein Change-Management-Problem, denn niemand will das Design eines LMS grundlegend ändern, sondern ist damit zufrieden, dass es gerade so benutzt wird. Außerdem sind Kritiken am Design immer sehr schnell gemacht und fürchterlich hart. Da kann jeder mitreden und die meisten denken sogar, sie könnten es besser.
Man muss jedoch nur einen Blick auf bekannte Webseiten werfen, sei es iTunes, FAZ, Bild oder Facebook. All diese Webseiten füttern ihre Artikel/Inhalte mit einem Medienobjekt an und liefern eine Kurzbeschreibung und nach einem Klick erhält man den gesamten Artikel. Bei jedem klassischen LMS ist diese Struktur auch möglich, wird aber nicht genutzt. Natürlich sind die Medien-Elemente aufwendig zu entwerfen und kosten Zeit, doch ist das Grund, warum immer noch diese alten Linklisten existieren?
Das auch anders geht, zeigt Julian Ridden (Moodleman).
Das Elegance Theme von Moodle 2.6 geht in diese grafische Richtung. Man könnte es vergleichen mit dem, zugegeben wenig erfolgreichen Schritt, von Microsoft bei Windows 8 zu den Kacheln.
Nachtrag: Man sollte sich hier ergänzend auch noch einmal das innovative Grid-Format für Moodle anschauen, was sehr an die Windows Kacheln erinnert und in genau die Richtung geht, die ich zukünftig erwarte. Wir werden dieses Format sicherlich mit Moodle 2.7 ab August in ausgewählten Kursen evaluieren, wenn der Zeitgott es gut mit uns meint;-)
Hinter jeder Grafik versteckt sich quasi ein Learning Object. Das Auge sieht sofort, was für eine Aufgabe das Element hat. Die Bedienung eines Kurses richtet sich grafisch und visuell aus und nicht mehr textbasiert über Links. Kennt jemand noch Startseiten von Instituten, wo noch Textlinks anzuklicken sind?
Fazit
Die MOOCs sind eine Frischzellenkur für das gesamte E-Learning. E-Learning wird modern, grafisch ansprechend und vor allem erhalten sie ein neues Alleinstellungsmerkmal: User Experience.
Die Inhalte bestehen jetzt aus Videos (xMOOC) und die LMS sind responsive und grafisch klar strukturiert. Das dies alles auch mit den alten Flagschiffen wie z.B. Moodle funktioniert, beweist Julian Ridden und natürlich unser Hanse MOOC. LMS sind durch die Themes, insbesonders bei Moodle 2.7 das Bootstrap Theme, sehr flexibel geworden und man benötigt eigentlich nur ein gutes Change-Management, um die Änderungen anzupacken.
Pingback:Ergebnisse der Woche ab dem 2014-05-16 | Iron Blogger Kiel
Pingback:MOOC-Workshop auf den OLAT User Days 2014 | SOOPAL
Danke für diesen Beitrag, ich bin sehr damit einverstanden und auch mit dem Thema “Das Auge lernt mit”. Ich bin auch froh, dass sich in diesem Bereich einiges getan hat und auch noch tut (). Als Admin von mehreren LMS-Plattformen und auch als Begleiter von Lehrpersonen an einigen Schulen, ist mir das ansprechende Design und die Darstellung der Kursinhalte ein grosses Anliegen.
Das Theme “Elegance” von Julian und auch euer MOOC-Theme sind ansprechend und Dekaden von den alten Designs entfernt. Ein nicht unwichtiger Aspekt ist aber auch die Updatefähigkeit der Anpassungen. Wird noch in den LMS-Code eingegriffen, wie z. B. Julians Anpassung an Bootstrap 3.0, lädt man sich damit eine zusätzliche Hürde auf.
Doch ist auch mit Anpassungen oder der Erstellung eines “normalen” responsive Themes viel möglich und das wird (noch) zuwenig genutzt. Responsive Design ist auf jeden Fall zwingend umzusetzen, der Zugriff von Mobile Devices steigt bei uns seit der Umstellung massiv.
Die Zeitbudgets und die Tatsache, dass viele Admins nicht selbst in der Lehre aktiv sind, dürfte dem Design Gewicht “stehlen”.
Hallo Stephan, da sprichst du zwei sehr wichtige Punkte an. Wir haben im Moment noch Probleme bei den Design Anpassungen, da wir teilweise in den Core eingreifen mussten, und daher natürlich Update-Schwierigkeiten bekommen. Wir hoffen, dass das nach Moodle 2.7 vorbei ist. Das ist aber ein ganz wesentlicher Bestandteil um das Design zu verbessern.
Das zweite ist natürlich der Gape zwischen Administration und Lehre. Ich kenne viele Hochschulen, wo das Moodle vom Rechenzentrum betreut wird und einfach vor sich hin läuft. Wenn man hier keinen engagierten Medienpädagogen (oder wie auch immer man ihn nennen will) hat, der auch die nötigen IT-Rechte besitzt, dann wird aus einem Moodle schnell eine PDF-Schleuder. Ich denke auch, dass ist eines der Erfolgsgeheimnissen beim E-Learning, nämlich die richtigen Leute auf die richtigen Stellen zu setzen. Ein IT Profi als Admin reicht da genauso wenig wenig, wie ein Pädagoge ohne Medienkompetenz.
Pingback:Das LMS ist nicht tot, das Design schon | weiterbildungsblog
Pingback:Zum Design von Lernmanagementsystemen (LMS) und warum MOOCs frischer aussehen | Fortbildung in Bibliotheken